Der Fall
Der Antragsteller ist seit mehr als 10 Jahren Vereinsvorsitzender. Auf der Vorstandssitzung im Februar 2015 kommt es zwischen dem Antragsteller und dem Restvorstand zu einem Zerwürfnis. Noch in der Sitzung beschließt der Vorstand Ordnungsmaßnahmen gegen den Antragsteller und beruft diesen als Vereinsvorsitzenden und Vorstandsmitglied ab. Auf die Tagesordnung der Sitzung im Februar 2015 wurde die Abberufung des Klägers nicht gesetzt. Ein Antrag auf Tagesordnungsergänzung wurde nicht gestellt. Die Satzung des Vereins sieht für Streitigkeiten des Vereins die Anrufung des Schiedsgerichts vor. Der Kläger beantragt sowohl vor dem Schiedsgericht als auch vor dem staatlichen Zivilgericht einstweiligen Rechtsschutz gegen seine Abberufung mit dem Ziel, dass der Verein bis zum Abschluss des Schiedsverfahrens jede rechtsgestaltende Erklärung gegenüber Dritten aus dem Abberufungsbeschluss unterlässt. Der Kläger nimmt dazu – neben dem Verein – jedes Mitglied des Vorstandes persönlich in Anspruch. Der Restvorstand ist der Ansicht, dass der Kläger nur vor dem Schiedsgericht einstweiligen Rechtsschutz beantragen könne.
Die Entscheidung
Das Oberlandesgericht Jena hat klargestellt, dass im einstweiligen Verfügungsverfahren der staatliche Rechtsweg und der Weg zum Schiedsgericht parallel zur Verfügung stehen; § 1033 ZPO sei nicht abdingbar. Auch wenn gleichzeitig auf dem staatlichen Rechtsweg und vor dem Schiedsgericht einstweiliger Rechtsschutz beantragt werde, liege keine doppelte Rechtshängigkeit (§ 261 ZPO) vor. In der Sache ist der Beschluss des Vorstandes über die Abberufung unwirksam.
Fazit
Der Antragsteller bekommt Recht! Das Vereinsleben wird ganz maßgeblich von der Satzung bestimmt. Zu fassende Beschlüsse sind rechtzeitig auf die Tagesordnung zu bringen; die Fristen dafür bestimmt die Satzung. Oftmals können Anträge auf Ergänzung der Tagesordnung noch zu Beginn der Sitzung gestellt werden. Beschlüsse, die nicht rechtzeitig auf die Tagesordnung gesetzt werden sind unwirksam. Soweit Ordnungsmaßnahmen ausgesprochen werden sollen, sind diese vorher anzudrohen und ist die angebliche Pflichtverletzung so genau wie möglich zu benennen.
Wie kann der Verein die missliche Lage beenden? Der Restvorstand kann über § 37 BGB eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und ist dabei nicht an die in der Satzung genannten Fälle gebunden. Nach § 36 BGB muss eine Mitgliederversammlung auch dann stattfinden, wenn das Interesse des Vereins dies erfordert. Das ist bei einem unheilbaren Zerwürfnis zwischen dem Vorsitzenden und dem Restvorstand der Fall. Auf dieser Mitgliederversammlung kann über die Abberufung des Vorsitzenden und die Neuwahl eines Vorsitzenden rechtssicher entschieden werden.
von Rechtsanwalt Thomas Stein, Jucknischke & Stein, Jena